Rollenverteilung

Opferrolle

Viele Betroffene flüchten sich in die Opferrolle. Wer kennt nicht die Maßlosigkeit von manchen Menschen, egal was man für sie tut, es ist nie genug. Menschen, die nur darüber reden können, wie schlimm nicht alles ist, wie furchtbar mit ihnen umgegangen wird – die im Endeffekt aber keine Empathie für das Gegenüber aufzubringen im Stande sind. Kinder, die nie gehört wurden in ihrem Schmerz, in ihrer Einsamkeit, versuchen den Rest ihres Lebens endlich gehört zu werden.

Die Bewusstwerdung zu einem Opfer gemacht worden zu sein, ist bei der Verarbeitung einer schwierigen Kindheit wichtig, um sich selbst gegenüber eingestehen zu können, dass man Opfer einer Situation war, aber keinesfalls die Schuld trägt (ich habe die Schläge verdient). Aber es ist uns wichtig zu betonen, dass die Opferrolle nur eine Station ist und keinesfalls die Lösung der Problematik. Eine Gefahr der Opferrolle ist leider, dass Opfer sich wehren dürfen. Wir wissen, die Aggressionen kommen im Normalfall einfach hoch und suchen sich eine Richtung. Gerade Betroffene in der Opferhaltung neigen dann dazu, keinen Halt mehr zu kennen und es ist ihnen die Projektion des Täters oder der Täterin in jeden Menschen gerade recht. Jeder wird dann als Täter erkannt (wir kennen dieses Argument auch von Feministinnen, wo jeder Mann zum potenziellen Täter gemacht wird, von antirassistischen Bewegungen, wo jeder Weiße zum Rassisten wird, wo jeder Jude am Unglück Schuld ist usw.) Was auf lange Sicht zur Einsamkeit oder zur Grausamkeit führt, jedenfalls nicht zur Übernahme von Verantwortung fürs eigene Leben und die eigenen Taten.

Retter

Eine spezielle Art von Symbionten von Betroffenen von Gewalt in der Kindheit, die in der Opferrolle verharren, sind die Retter. Retter verstehen total das Leid der Opfer. So gut, dass sie dem Opfer jedes Recht geben, in der Opferrolle zu verharren. Weil nur dann können sie das tun, was sie am liebsten tun: helfen und retten bis zur Selbstaufgabe. Dazu bedarf es aber der Opfer, die ihre Opferrolle nie ablegen. Ein wenig haben wir dieses Phänomen auch im modernen Sozialstaat verankert. Obwohl wir sehr hohe Sozialausgaben haben, nimmt die Menge an Armut in einem Staat nicht ab. Im Gegenteil nimmt sie immer mehr zu. Aber die Leute kommen aus der Abwärtsspirale nicht heraus. Machen wir da etwas falsch? Jedenfalls ändert bei vielen Menschen, die Gewalt in der Kindheit erlebt haben, der Sozialstaat an der Situation zuwenig.
Aktivist:innen und Helfer:innen
Wir unterscheiden in der Gruppe zwischen Betroffenen und Helfer:innen. Das hat nur eine wirkliche Auswirkung: es gibt einen Selbsthilfebereich für Betroffene, der nicht mit den Helfer:innen innerhalb der Gruppe geteilt wird. Ansonsten herrscht komplette Gleichberechtigung. Helfer:innen und Aktivist:innen sind jene Menschen, denen aus anderen Gründen, als Betroffenheit, das Thema Gewalt in der Kindheit am Herzen liegt. Und die etwas gegen diese Gewalt unternehmen wollen. Wir haben gelernt, dass eine reine Betroffenengruppe nicht stabil genug ist, da die frei flottierenden Aggressionen der Betroffenen immer wieder zum Zerfall der Gruppe führen. Da bilden die Nichtbetroffenen ein starkes Element der Stetigkeit, das den Verein in seiner Existenz stärkt. Wofür wir ihnen sehr dankbar sind.

Betroffene

Sind jene Menschen, die tatsächlich Gewalt in der Kindheit erlebt haben. Was uns sehr wichtig ist: Gewalt in der Kindheit schließt psychische Gewalt mit ein. Hier haben wir eine Liste von Gewalttätigkeiten. Viele Betroffene wundern sich oft nur über das eigene Leben und die Wiederholungszwänge, die vom Eltern-Ich ausgehen, sind sich aber nicht bewusst, dass eine Menge neurotischer Probleme aus der Kindheit stammen und durch das Verhalten der Eltern ausgelöst wurden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewalt, die von Frauen ausgeht. Aus unserer Sicht ist die männliche spektakuläre Gewalt, die sichtbar ist und grausam, stark und zurecht im Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Es geht aber dabei die Gewalt, die von Müttern/Frauen gegenüber Kindern ausgeübt wird, unter: das Kind runtermachen, das Kind nicht annehmen, die Beitragstäterschaft, das Kind als Pfand gegen den Mann einsetzen in Scheidungskriegen, das Kind mit dem gewalttätigen Mann bedrohen, um Wohlverhalten zu erhalten…es gibt eine Menge Beispiele, wie Frauen selbst Gewalttätigkeit gegen Kinder ausüben, die aber kein großer Diskussionspunkt sind und daher außerhalb des gesellschaftlichen Fokus stehen. Im Endeffekt wird somit die häusliche Gewalt auf ein Problem von Männern gegenüber Frauen und Kinder reduziert, was unseren Erfahrungsstand als Betroffene von Gewalt in der Kindheit gar nicht widerspiegelt.